Verhandlungen sind vom Wesen her für einen Interessenausgleich zwischen zwei oder mehreren Parteien prädestiniert oder bieten die Möglichkeit, durch die abgestimmte Verbindung beider Parteien gegen äußere Mächte einen Vorteil zu erlangen. In der Realität sind sie aber überwiegend auf Win-Lose eingestellt. Das hat oft objektive, aber in sehr vielen Fällen auch subjektive Gründe.
Was ist eine Win-Lose-Verhandlung?
Win-Lose-Verhandlungen werden mit der Absicht geführt, einen Marktvorteil der einen Seite auf Kosten der anderen Seite mit Verhandlungsende zu erreichen. Bekannt sind Win-Lose-Verhandlungen auch unter dem Begriff „Nullsummenspiel“. Die Verhandlungsmasse steht fest, es geht nur um die Verteilung der Anteile. Was der Eine an „Mehr“ erreicht, muss der Andere unter „Weniger“ verbuchen. Die Summe beider Ergebnisse stellt am Ende der Verhandlung immer wieder die gleiche Größe dar.
Insofern wird bei Win-Lose-Verhandlungen auch von einer distributiven Verhandlungsstrategie gesprochen, im Gegensatz zur integrativen Verhandlungsstrategie, durch die Win-Win-Verhandlungen gekennzeichnet sind.
Objektive Gründe für Win-Lose-Verhandlungen
Die Hauptursache für Win-Lose-Verhandlungen ist der Marktdruck. Wenn ein Unternehmen alle Potenziale ausgereizt hat, um mit seinem Angebot marktfähig zu bleiben, bleibt nur noch die Möglichkeit, über einen günstigeren Einkauf (Stichwort Einkaufsverhandlung) die Gewinnspanne in einer akzeptablen Größenordnung zu halten. Das bedeutet, die bestehenden Verträge neu zu verhandeln, und sich im Falle eines Scheiterns bereits um die bestmögliche Alternative gekümmert zu haben.
In der Regel bedarf es jedoch nicht einmal eines akuten Marktdrucks für Win-Lose-Verhandlungen. Viele Unternehmen sind so stark auf Gewinnoptimierung ausgerichtet, dass sie nur Verhandlungen dieser Art führen. Da alle Bereiche des Unternehmens nach Optimierungsanforderungen funktionieren, gilt diese Prämisse logischerweise auch für die Verhandlungen.
Letztendlich weisen bestimmte Bereiche eines Unternehmens ihre Existenzberechtigung durch erfolgreiche Preisverhandlungen nach. Das gilt in erster Linie für den Einkauf, aber auch für den Vertrieb und den Investitionsbereich.
Subjektive Gründe für Win-Lose-Verhandlungen
Ein hoher Anteil von Win-Lose-Verhandlungen entspringt jedoch auch der individuellen Einstellung der verhandlungsführenden Personen. Motivationen sind Sportsgeist, das Austesten von Möglichkeiten oder Angriffsflächen, die der Verhandlungspartner bietet. Meist jedoch handelt es sich um eine generelle Einstellung. Hier aber sind die Chancen, gegen eine solche Strategie zu bestehen, am größten.
Verhalten in Win-Lose-Verhandlungen
Lieferanten von großen Lebensmittelketten oder Zulieferer für die Herstellung von Konsumgütern stellen sich bereits vor der Verhandlung auf die Lose-Situation ein. Der Preisdruck am Markt ist insgesamt so enorm, dass es keine Alternativen mit anderen Partnern gibt. Es geht für den Lieferanten nur noch darum, den Verlust in erträglichen Grenzen zu halten. Der Verzicht auf das Geschäft ist angesichts der verhandelten Volumina unmöglich.
Gerät die Verhandlung dagegen nur durch die individuelle Einstellung des Verhandlungspartners zur Win-Lose-Verhandlung, hat die Seite, welche den Verlust tragen soll, mehrere Möglichkeiten. Da die Verhandlungsposition der Gegenseite nicht in einer dominierenden Marktlage begründet ist, gibt es Alternativen mit anderen Partnern. Auch in der Verhandlung selbst kann die Zielrichtung „gedreht“ werden.
Für das Führen einer Win-Lose-Verhandlung gibt es genauso Kriterien wie für die Abwehr einer Win-Lose-Verhandlung und wird in Verhandlungsseminaren bzw. Verhandlungstrainings thematisiert.